Impulse & Inspirationen

Ein Blog von Kirstin Kluckert

STADT DER KAISER
Themen: Reisen
17. Februar 2023

STADT DER KAISER

Hue, die alte Kaiserstadt. Ein lange ersehnter Traum.

Ich steige aus dem Auto aus, unter tief herabhängenden Ahornzweigen. Eine weiss getünchte Mauer trennt die Strasse von dem kleinen Kloster. Es ist nur für Frauen. Eine Nunnery. Thich Nhat Than ist hier der Schirmherr und ich freue mich so sehr einmal hier hineinschauen zu dürfen.

Meine Vorstellungen von einem Frauenkloster sind ganz richtig, denke ich. Ich trete ein durch ein hübsches, gusseisernes Tor. Der Innenhof eröffnet die Anlage mit Sauberkeit und einer friedlichen, ruhigen Atmosphäre. Ich fühle mich sofort zu Hause. Linkerhand liegt das Haupthaus, ein zweistöckiges Pagodenhaus, erhöht auf einer weissen Terrasse liegend. Im unteren Stock öffnet sich eine hübsch geschnitzte hölzerne Flügeltür in einen Saal hinein. Um hinein zu gelangen muss ich eine kleine Treppe ersteigen, die mit lauter schön gepflegten Pflanzen in grossen Kübeln versehen ist. Da stehen Akazien vor der Tür, rechts und links. Unten an der Treppe stehen Lotusblumen, die in Wasserbottichen blühen. Sie sind tiefrosa und innen leuchtend gelb. Alles wirkt wunderbar friedvoll und geliebt. So hübsch anzuschauen.

Eine Nonne wartet im Saal, ich bin angemeldet. Es gibt ein gemeinsames Mittagessen. Wir setzen uns auf die kleinen Bänke und beginnen uns vorzustellen. Ich verstehe ihren Namen nicht, vietnamesisch ist für mich schwierig. Doch ein Blick genügt um sich zu begegnen. Die junge Frau, sie ist wohl die Vorgesetzte hier, wirkt hübsch in den einfachen grauen Gewändern. Sie hat strahlende Augen, auch wenn sie etwas erschöpft scheint. Sie spricht Englisch, das verstehe ich ganz gut. Und sie erzählt von ihrem Leben. Sie wollte schon immer Nonne werden, weil ihre Schwester eine ist. Sie ist mit fünfzehn ausgerissen und hat sich ins Kloster geflüchtet. Seitdem ist sie hier. Eine lange Zeit, sagt sie und lächelt etwas. Jetzt ist sie um die dreissig und fühlt sich schon ziemlich alt.

Wir essen Suppe wie überall in Vietnam. Die Brühe steht in einem grossen Topf auf dem Tisch. Drumherum, in einem dutzend niedlicher Schälchen, alles was in die Suppe hinein darf. Sojasprossen, Karotten, Salat, Kohl, etwas Tofu, von der ganz weichen Sorte und eingelegtes Gemüse, scharfe Saucen. Zu trinken gibt es einen Tee aus Zitrusfrüchten, die im Hof wachsen. Sie sehen aus wie kleine pflaumenförmige Orangen, sind aber recht bitter.

Nach dem Essen wird gemeinsam meditiert. Ich bin gespannt. Wir gehen hinter das Haupthaus und kommen in einen Tempelraum, ganz versteckt. In dem grossen Raum steht ein einzelner, goldener Buddha. Dunkel ist es darin und in allen Himmelsrichtungen liegen Türen, die jetzt weit geöffnet sind. Die Sonne scheint auf den schwarz-weissen Steinboden. Er fühlt sich sehr gut an unter meinen nackten Füssen. Wir setzten uns im Halbkreis vor den Buddha und meditieren. Einfache Atembeobachtung, ein zur Ruhe kommen. Wie leicht das hier ist, denke ich. Und das obwohl draussen emsig gearbeitet wird, gesägt und gehämmert. Aber der Raum ist wie von selbst still. Der Buddha lächelt dazu. Ich würde gerne länger hier sitzen.