Impulse & Inspirationen

Ein Blog von Kirstin Kluckert

ROT
Themen: Reisen
27. April 2023

ROT

Es war einmal in Vietnam. Es war einmal in meinem Herzen. Es war wunderbar. Es war einzigartig. Und ich möchte gerne noch einmal dort sein. Doch es ist ein gutes Zeichen, auch warten zu können. Und nicht alles sofort machen zu müssen, was man begehrt. Ein Zeichen von Reife. Etwas, was ich am älter werden sehr schätze.

Hier in Vietnam kann man eine Menge sehen. Es gibt allüberall viele Menschen hier. Sehr grosse Städte, in denen es nur so wimmelt. Tausende von Motorrollern. Kaum Autos, weil die zu teuer sind. Dafür sind die Rollerfahrer hier so unglaublich geübt, dass sie locker eine ganze Familie darauf unterbringen. Sie befördern riesige Lasten damit und auch schon mal ein ganzes Schwein, lebendig. Und damit nicht genug. Man kann sehen, wie sie ganz ungeniert auf den Rollern mit ihren Handys telefonieren und auch mal einen kleinen Flirt mit der Nachbarin an der Ampel starten. Nur sollte man nicht als Fussgänger dazwischen geraten. Denn wenn die Rush-Hour schlägt, gibt es kein Halten mehr. Da wird kreuz und quer gefahren. Da werden Ampeln ignoriert. Und wenn man nicht schnell zur Seite springt, kann man glatt einen Zeh verlieren. Oder auch nur die Sonnenbrille.

Doch dazwischen gibt es versteckte Wege und Pfade. Abkürzungen zwischen den Hochhäusern und Oasen in den Hinterhöfen. Wenn man hier einmal nur der Nase nach läuft, gibt es so viel zu entdecken. Und natürlich auch jede Menge toller Märkte. Nirgends gibt es so riesige Auswahl an Angeboten, wie in den hiesigen Markthallen. Alles was wir in Deutschland als Markt kennen, ist nur ein schwacher Abklatsch. In den Ding-Dong Centern in Hanoi, besser gesagt in dem Dong Xuan Center dort wird gelebt, nicht nur verkauft. Hier schläft, isst und wohnt man inmitten seiner Waren. Zwischen dutzenden Stoffballen liegen schlafende Verkäuferinnen. In den Plastikbergen von Kitsch wird mit der ganzen Familie gespeist und hinter hunderten von Schuhen werden Hochzeiten abgehalten. Das ist hier normal. Und so ist es, wenn man die riesigen, mehrstöckigen Hallen betritt, als würde man in Vietnams Wohnzimmer blicken.

Natürlich kann man sich auch ganz grossartig touristisch hier vergnügen. Zum Beispiel sich in einer Fahrradrikscha durch die Gegend rumpeln lassen. Hat man erst einmal die Scham überwunden, jemand anderen für sich strampeln zu lassen, ist es wirklich toll. Die Rikscha-Fahrer können zwar kein Englisch, aber sie wissen genau, wie sie lustig mit Dir kommunizieren können. Und schliesslich freuen sie sich auch über freundliche Kunden. Und wenn die Kund*innen noch dazu klein und nicht zu schwer sind, ist es noch besser. Dann wird man auch schon mal bei Ihnen zu Hause vorbei gefahren und darf sich das Dorf anschauen. Dann gibt es viel Gelächter und Gewinke und die Kinder rennen mit uns um die Wette.

Die Städte, wie die Dörfer sind voll mit leisen, lächelnden Menschen. Und hinter den Kulissen sind stille Tempel. Buddha hat ein wachsames Auge auf Alles. Buddha hat segnende Hände für Alle.

Und nicht nur in den Tempelhäusern und Schreinen, sondern auch in der Natur sind Tempel. Das Land selbst baut Tempel. Am Wasser und im Meer stehen Felsen wie Altäre, mitten im Wasser. Sie ragen auf, aus weissem Kalkstein, schroff und mit vielen Zacken und obenauf ein Teppich aus Grün.

An den Ufern sind zerklüftete Felsformationen, mit Nischen und Alkoven, in denen die Tathagatas zu Hause sind. Manchmal kann man sogar hinein fahren, mit einem kleinen Kanu, manchmal in knietiefem türkisfarbenen Wasser hinein laufen. Hier möchte man beten, ganz heimlich. Für die Welt und für alle fühlenden Wesen.

Und wer hier die blaue Stunde auf dem Wasser in den Buchten erlebt, weiss auf einmal, was das bedeutet. Ganz langsam wird hier alles Blau, alle Grüntöne verwandeln sich und erscheinen in blauen Schichten. Die Felsen, die Berge, das Wasser verschwindet und wird zu einer malerischen Zeichnung in Blau. Ein Aquarell der Natur. Ein Abschied des Tages. Ein Schlusspunkt.