Impulse & Inspirationen

Ein Blog von Kirstin Kluckert

PILGERN 27. März 2023

PILGERN

Meine eigenen Füsse tragen mich wohin ich will, denke ich.
Manchmal tragen sie mich auch wohin ich soll. Und bei manch anderen Gelegenheiten tragen sie mich weit fort. Die Frage ist, wer trägt und wer geht?

Ich bin ganz benommen vom Geruch brennender und rauchender Zweige. In grossen, eiförmigen Öfen mir riesigen dunklen Öffnungen wird unermüdlich Salbei und andere Kräuter gedrückt. Büschelweise. Manchmal auch einzelne Zweige. Es duftet scharf, bitter und kratzt im Hals. Und es raucht so sehr, dass alle Kleidung noch stundenlang danach riecht.

Das Ganze ist ein richtig schöner Rundgang. Wenn man hier nach links sieht, dann kann man die Juwelen des Himalaya in der Sonne glitzern sehen. Schnee bedeckt die Gipfel. Und zur rechten Hand steht der Jokhang. Einzigartig und Monumental. Vor dem Haupteingang liegen und stehen die Pilger. Sie drehen ihre kleinen Gebetsmühlen unaufhörlich. Und sie sieben Körner in hübsch verzierten Schalen und streuen sie aus.

Ein Jeder in Tibet möchte einmal im Leben um den Jokhang herum pilgern. Natürlich auch erst einmal dorthin pilgern. Der Jokhang ist ein uralter Tempelort in Lhasa. Er ist einer der bekanntesten und zentralsten Tempel hier.

Und wer hier seine Runden dreht, der ist angekommen. Aus allen Himmelsrichtungen wird in den Einganz geströmt und der Innenhof füllt sich mit Menschen aus ganz Tibet. Überall an den Wänden der Säulengänge sind Wandmalereien, die Buddhas Leben und auch historische Szenerien zeigen. Sie sind in Naturfarben und mit Goldfarben gemalt.

Ich gelang über Balkone und mehrer Treppen auf das Dach des Tempels. Hier wachen riesige goldene Säulen über die Anlage. Sie sind vollkommen verziert mit Dharma-Schützern. Und ganz vorne, direkt über dem Hauptgebäude ein wunderschönes goldenes Dharma-Rad. Rechts und Links liegen Rehe, die mit liebvollem Blick darauf schauen. Sie hören die Lehre Buddhas.

Unten eröffnet sich einem der Blick auf den gesamten Platz vor dem Tempel. Es ist ein buntes Treiben. Und ich würde gerne einfach hier sitzen bleiben und zuschauen.

Die Pilger kommen in Scharen. Sie haben ihre hübschesten Kleider angezogen und ihre langen schwarzen Zöpfe ordentlich zusammengebunden. Sie tragen ihre Kinder auf den Armen. Sie lachen. Ihre Blicke sind undurchdringlich und klar wie der Himmel.

Bevor sie in den Tempel gehen, umrunden sie ihn einige Male.
Ich gehe mit Ihnen. Es ist ein hübsches Umrunden. Die Gassen sind voller farbenfroher Shops mit Thangkas und Malas, mit bunten Gebetsfahnen und jede Menge Souvenirs. Auch die beliebtesten Restaurants sind hier zu besuchen. An den Ecken des Tempels stehen Fahnenmasten, an denen unzählige Fähnchen hängen und auch um den Sockel herumgewunden sind. Sie sehen aus wie riesige Stoffballen aus tausenden einzelner Fähnchen. Eine Menge Segen. Der Boden ist mit grauen Steinfliesen gepflastert. In der Mitte der Gasse sind die Fliesen grösser und ganz glatt von den Niederwerfungen der Pilger. Eine junge Frau kniet sich hin und legt sich dann ganz sacht und gerade nieder. Steht wieder auf und wiederholt das. Sie kommt nur einen Schritt pro Niederwerfung weiter.

Das Pilgern will nicht schnell vorwärts kommen. Es muss genossen und geschätzt werden. Schritt für Schritt. Innerlich in Versenkung. Mantras im Geiste. So wird gegangen. So sind wir Buddhas. Was uns alle vereint ist der klare blaue Himmel.