Impulse & Inspirationen

Ein Blog von Kirstin Kluckert

L wie LOCKER LASSEN
Themen: Reisen
04. Oktober 2023

L wie LOCKER LASSEN

Aha. Also Nordafrika, also Djerba. Eine entzückende Insel. Jedenfalls war sie das früher. Vor dem ganzen rumgeballer. Und jetzt ist es eben etwas anderes.

 

Ich erinnere mich noch sehr sehr gut. Damals, in den zwanzigern. Als die Welt noch gut war. Als alles noch so einfach schien.

 

Da sitze ich also in meinem hotelzimmereigenen Balkon und geniesse die Sonne. Die Sonne ist hier superhell. Zu hell um die augen wirklich zu öffnen.

Ich kann das Meer von hier aus sehen. Und noch vielmehr kann ich es hören.

Es ist viel lauter als erwartet. Und überhaupt ist hier alles viel lauter als erwartet. Auch der Himmel ist blauer. Es ist nicht das übliche blau. Es ist ein so leuchtendes blau, dass es mir das Herz öffnet.

 

Der Hibiskus ist hier roter als rot.
Die Mimosen sind hier grösser als woanders.
Und die Blüten duften viel mehr als sonst.
Das weiss der maurischen Kuppeln ist gleissend.

Das permanente eingeübte lächeln der Hotelangestellten ist auch viel breiter.
Und auch mein lächeln ist beständiger und grundloser als sonst.

 

Ich höre meinen Mitreisenden hinter mir murmeln und klimpern. Und mir ist ganz wohl zumute. Das Leben ist so irreal.

 

Gestern war das alles noch gar nicht so.

Ich wachte um sieben uhr auf, die augen noch ganz schwer und rotgerändert. Dann lief ich planlos zur bank. Ich hob ab, was ich konnte.
Dann noch schnell ein paar kleinigkeiten eingekauft. So unnötige sachen wie besonders gute sonnencreme. Dabei viel zu viel geld ausgegeben.
Dann schnell geduscht und den rucksack verzurrt. Denn um zwölf werde ich ja abgeholt. Dachte ich.

Doch dachte sind keene lichte. Ich hatte mich verkalkuliert. Ich wartete.

Um fünf nach zwölf dann zum telefon gegriffen. Nur der anrufbeantworter.

Dann um zehn nach zwölf nochmal angerufen. Nur der anrufbeantworter.

Etwas säuerlich drauf gesprochen.

Fünfzehn nach zwöf.

Nervosität.

Dann nochmal zum telefon gegriffen. Resigniert den Hörer sinken lassen und vor mich hingestarrt.

Ich sagte zu mir, ganz ruhig, es ist noch genug zeit, das klappt schon noch.

Zwanzig nach zwölf.

Jetzt alle Gefühlsskalen durchlaufen.

Angst ... wir können den Flug nicht mehr kriegen.

Enttäuschung ... naja, es soll wohl nicht sein.

Frust ... ich soll eben keinen urlaub machen.

Trauer ... bei mir klappt sowas ja doch nicht.

Wut ... der Blödmann.

Ich zähle regentropfen.

Und dann sehe ich endlich meinen Mitreisenden durch die quietschende Hoftür hereingeweht ...

 

Hoppla. Und schon auf Djerba gelandet.

Und auf gehts. Mit dem Bus 105. Und die Rezeptionistin strahlt uns an.